Istanbul Post

Kurzmeldungen: Alle Kurzmeldungen

Die Woche vom 24. November bis zum 1. Dezember 2023

CHP und Iyi Partei suchen eine Möglichkeit, doch in einigen Großstädten – d.h. vor allem in Istanbul und Ankara – bei der Kommunalwahl zusammenzuarbeiten. Die Entscheidung der Iyi Partei wird vermutlich am kommenden Montag fallen.

Vorbereitung auf die Kommunalwahlen

Bei den meisten Parteien laufen die Fristen für die Anmeldung der Interessenten für eine Kandidatur, bei der AKP beispielsweise ist sie gerade abgelaufen. Bei der CHP soll dieses Mal stärker auf die Basis gehört werden und dazu Vorabstimmungen durchgeführt werden. Eine Kommission aus fünf Mitgliedern des Parteirates hat dabei die Aufgabe übernommen, den ordnungsgemäßen Ablauf des Nominierungsprozesses zu überwachen. Anders als bei der vorangegangenen Kommunalwahl hat sich der CHP-Vorsitzende Özel außerdem dafür ausgesprochen, dass wenn Bündnisse mit anderen Parteien eingegangen werden, dies offen erfolgen solle. Dabei geht es im Wesentlichen um die HEDEP. Ihre Vorgängerpartei HDP hatte bei der Kommunalwahl 2018 in Istanbul den CHP-Kandidaten İmamoğlu unterstützt, ohne dass es ein offenes Bündnis gegeben hätte.

Auch die HEDEP setzt auf Vorabstimmungen zur Auswahl der Kandidaten, doch hat sie ein sehr ambitioniertes System entwickelt. Abstimmungsberechtigt sollen nicht nur Parteimitglieder sein, sondern auch Personen, die zuvor geholfen haben sowie Mitglieder von Nichtregierungsorganisationen. Vorgesehen ist, dass sich in jeder Stadt 2-3 Prozent der Wahlberechtigten an einer Vorabstimmung beteiligen können. Um die Geschlechterquote beizubehalten, wird über männliche und weibliche Kandidaten getrennt abgestimmt. Für die Abstimmung ist die zweite Dezemberwoche vorgesehen.

Während das Regierungsbündnis die Verhandlungen, wer wo Kandidaten benennt, haben die komplizierten Sondierungen zwischen CHP und Iyi Partei erst begonnen. Beim Regierungsbündnis soll die MHP die Oberbürgermeisterkandidaten für Manisa, Mersin und Adana benennen. Gerüchten zufolge sollen sich die beiden Parteivorsitzenden Erdoğan und Bahçeli als Kandidaten für das Oberbürgermeisteramt in Istanbul auf den früheren Minister für Stadt und Umwelt Murat Kurum und in Ankara auf den früheren Bildungsminister Ziya Selçuk geeinigt haben.

CHP, AKP und HEDEP planen, bis Mitte Januar ihre Kandidaten bestimmt zu haben.

Vorstand der Union der türkischen Ärztekammern abgesetzt

Das 31. Gericht für Zivilsachen Ankara hat am 30. November 2023 beschlossen, den Vorstand der Union der türkischen Ärztekammern abzusetzen. Das Verfahren war eröffnet worden, nachdem die Vorsitzende Şebnem Korur Financı in einem Interview erklärte, Vorwürfe gegen die türkische Armee, dass diese im Nord-Irak Giftgas eingesetzt habe, müssten international untersucht werden. Für den wenig Wert auf Differenzierung legenden Justizminister – und wohl auch für den urteilenden Richter – wurde daraus, dass sie behauptet hätte, die türkische Armee habe Giftgas eingesetzt.

Interessant ist, dass dieses Mal nicht nach Terror-Propaganda gerichtlich vorgegangen wurde, sondern zivilrechtlich. Dass die Union türkischer Ärztekammern ebenso wie die übrigen Berufskammern der Regierung ein Dorn im Auge sind, ist bekannt. Die Rechtsanwaltskammer beispielsweise wurde abgestraft, indem in Großstädten parallele Rechtsanwaltskammern zugelassen wurden. Entmachten konnte die Anwaltskammern damit zwar nicht, aber ihr genehme Parallelstrukturen schaffen.

Details zum Urteil wird man vermutlich erst mit der Urteilsbegründung erfahren.

Am selben Tag wurde der abgesetzte Oberbürgermeister von Diyarbakır Selçuk Mızraklı vom dortigen 9. Großen Strafgericht zu einer Freiheitsstrafe von 9 Jahren und vier Monaten verurteilt. Ihm wird die Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung vorgeworfen, wobei im Zentrum sein Engagement für den Kongress für eine demokratische Gesellschaft steht. Die Verurteilung des kurz nach seiner Wahl verhafteten und dann abgesetzten Mızraklı stützt sich auf zwei Geständnisse. Der Kassationsgerichtshof hatte die Freiheitsstrafe wegen Beschneidung der Verteidigungsrechte zurückgewiesen und eine Erneuerung des Strafverfahrens verlangt. Am 30. November erneuerte das Gericht das Urteil mit demselben Strafmaß.

Das gerichtliche Nachspiel des Februar Erdbebens

Nach der Erdbebenkatastrophe vom 6. Februar 2023, die elf Provinzen erfasste und zum Einsturz von 650.000 Wohnungen führte, sind zahlreiche Bauunternehmer, Ingenieure und andere am Bau beteiligten angeklagt worden. Nun beginnen nach und nach die Prozesse. Aus Kahramanmaraş wird berichtet, dass das Said Bey Appartement erst vor sieben Jahren errichtet wurde. Zuvor hatte an seinem Platz ein dreistöckiges Gebäude gestanden, das aufgrund mangelnder Erdbebensicherheit abgerissen wurde. An seiner Stelle wurden zwei achtstöckige Gebäude errichtet, bei deren Einsturz 44 Menschen getötet wurden. Nun werden fünf Personen, davon vier in Untersuchungshaft, wegen fahrlässiger Tötung angeklagt. Neben Konstruktionsfehlern sei auch die Qualität des verwendeten Betons gering gewesen.

Derweil wurde bekannt, dass die umstrittene Bestimmung zu Reservegebieten im Stadtsanierungsgesetz erstmals zum Einsatz kam. Der komplette Landkreis Defne in der Provinz Hatay wurde so deklariert. Dies bedeutet, dass auch Eigentümer von Häusern, die das Erdbeben unbeschadet überstanden haben, enteignet werden können. Mit der Umwidmung werden zudem die Verfügungsrechte beschnitten und können beispielsweise Reparaturgenehmigungen verweigert werden. Die Anwaltskammer Hatay gibt an, dass ca. 50.000 Personen betroffen sind und eine Klage in Vorbereitung sei.

Einem Bericht der Nachrichtenplattform T24 zufolge geht der Wiederaufbau langsamer voran als angekündigt. Angesichts 650.000 zerstörter Wohnungen wurde mit dem Bau von 109.108 Wohnungen begonnen. 45 Prozent von ihnen wurden bereits fertiggestellt. Der Ökonom Mustafa Sönmez vermutet, dass die Verzögerung beim Wiederaufbau auch wirtschaftspolitisch bedingt ist. Aufgrund beträchtlicher Importanteile bei Baumaterialien werden Devisen benötigt, die derzeit knapp sind.

Vorschläge der EU-Kommission zur Verbesserung der Türkei-Beziehungen

Der Koordinator für die EU-Außenpolitik Josep Borell und der Kommissar für Nachbarschaftspolitik und Erweiterung Oliver Yarhelyi haben einen gemeinsamen Vorschlag vorgestellt. In dem Papier werden eine Modernisierung der Zollunion und Visumserleichterungen vorgeschlagen. Die Aufnahme von Verhandlungen über die Zollunion sollen davon abhängig gemacht werden, dass die Türkei wirksamere Schritte unternimmt, um das Brechen des Russlandembargos zu unterbinden. Als zweites Feld wird die Stabilität im östlichen Mittelmeer genannt. Visumserleichterungen könnten für bestimmte Personengruppen wie Geschäftsleute, Schüler und Studenten sowie Personen mit Angehörigen in der EU in Frage kommen. Sie sollten langfristige Visa ermöglichen, die zur mehrfachen Einreise berechtigen. Zudem wird in dem Papier erklärt, dass die EU an einer Fortführung des Flüchtlingsabkommens interessiert ist und dazu aufgerufen, die Türkei möge wieder illegal Eingereiste von den griechischen Inseln zurücknehmen.

Die Begeisterung in Ankara dürfte sich in Grenzen halten. Bereits beim letzten Migrationsabkommen war der Türkei in Aussicht gestellt worden, über die Modernisierung der Zollunion zu verhandeln und nach Erfüllung aller Kriterien Visumsfreiheit zu gewährleisten. Nun sollen neue Bedingungen für die Gespräche über die Zollunion gestellt werden, darunter die „Stabilität im östlichen Mittelmeer“. Die EU hat bisher in allen Fragen keine Vermittlerposition, sondern nur die ihre Mitglieder Griechenlands und Zyperns vertreten. Warum sollte sich die Türkei also auf eine solche Bedingung einlassen, wenn doch die Zollunion im gegenseitigen Interesse ist. Und aus der Visumsfreiheit soll Visumserleichterung werden. Und dann bleibt da noch die Frage, ob sich die Verfasser des Vorschlags über Details informiert haben. Langfristige Visa gelten nie länger als die Pässe in denen sie eingetragen werden. Weil türkische Pässe extrem teuer sind, können sich die meisten nur kurzfristige leisten, wenn sie denn einen benötigen.

Vor der Klimakonferenz

Vom 30. November bis zum 12. Dezember 2023 findet in Dubai die Weltklimakonferenz COP 23 statt. Folgt man einem Beitrag von Levent Kurnaz für die Nachrichtenplattform T24, so sind die Erwartungen an die Konferenz gering. Neben einer Bewertung der Entwicklungen des vergangenen Jahres wird es vor allem um die Ausgestaltung des Kompensationsfonds gehen, mit dem arme und besonders vom Klimawandel betroffene Länder eine teilweise Entschädigung erhalten sollen. Mit Blick auf den Rang der Teilnehmenden glaubt Kurnaz jedoch nicht, dass es hier zu einem wirklichen Fortschritt kommen wird.

Bei der Wirtschaftsplattform ekonomim berichtet Didem Eryar Ünlü über die Positionen von Ezgi Edipoğlu Sakowski, die sich im Rahmen des Mercator-Programms am Istanbul Policy Center aufhält. Sie weist darauf hin, dass die Türkei zwar nicht zu den größten Verschmutzern durch Treibhausgase zählt, jedoch in den letzten Jahren schnell aufgestiegen ist. Lag sie 1992 noch auf Rang 24, so hatte sie 2021 bereits Rang 14 erreicht. Sie weist darauf hin, dass mit der Ziel bis 2030 die Emissionen um 41 Prozent zu verringern immer noch eine Steigerung um 30 Prozent verbunden ist. Beim Klima Action Tracker fällt das Klima-Ziel der Türkei in die Kategorie „im kritischen Maße unzureichend“. Eine schlechtere Bewertung hat nur der Iran erhalten, der bisher kein Emissionsziel eingereicht hat.

Wirtschaft im 3. Quartal um 5,9 Prozent gewachsen

Daten des Türkischen Statistikinstituts zufolge ist die Volkswirtschaft gegenüber dem Vorquartal um 0,3 Prozent gewachsen. Gegenüber dem Vorjahrsquartal lag der Anstieg bei 5,9 Prozent. Bezogen auf die Quellen des Wachstums lagen privater Konsum und Investitionen vorn, während Auslandsnachfrage und Lagerbestände eine dämpfende Wirkung zeigten. Der Anteil von Löhnen und Gehältern ging von 37,8 Prozent im ersten Quartal auf 32,2 Prozent im dritten Quartal zurück. Maßgeblich für diese Entwicklung ist die starke Erhöhung von Mindestlohn und Renten im Januar 2023, die nach und nach durch die Inflation aufgefressen wurde. Daran hat auch die zweite Erhöhung im Juli nichts geändert.