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Eine Woche zuvor hatten die Inhaftierungen des CHP-Bürgermeisters von Istanbul-Beşiktaş und des Vorsitzenden der Zafer Partei Aufsehen erregt. Eine als Kartelluntersuchung begonnene Ermittlung gegen eine Produzentin von Filmserien schlug plötzlich in eine Staatsstreichermittlung um. In dieser Woche setzte sich die fragwürdige Justizpraxis fort, als nach einer Pressekonferenz des Istanbuler CHP-Bürgermeisters İmamoğlu zahlreiche Journalisten festgenommen wurden. Hinzu kommt, dass anscheinend das Tourismusministerium als Aufsichtsführende Behörde nicht in die strafrechtlichen Ermittlungen zur Brandkatastrophe in einem Ski-Hotel in Bolu einbezogen wurde, bei dem in der vergangenen Woche 78 Menschen starben.
Der CHP-Vorsitzende Özel zitiert aus einem vorläufigen Sachverständigenbericht zum Hotelbrand vergangene Woche. Das Problem: Zu diesem Zeitpunkt lag er nach Auskunft des Justizministers nicht einmal der Staatsanwaltschaft und dem Gericht vor.
In einer Pressekonferenz weist Istanbuls Oberbürgermeister İmamoğlu auf einen Sachverständigen hin, dem er in mehreren Verfahren Unregelmäßigkeiten vorwirft. Nur Minuten später ergeht eine Pressemitteilung der Staatsanwaltschaft, in der die Aufnahme von Ermittlungen gegen ihn wegen dieser Pressekonferenz mitgeteilt wird. Der Vorwurf: İmamoğlu versuche öffentlichen Druck auf einen Sachverständigen auszuüben, um ein Gutachten zu beeinflussen. İmamoğlu wiederum reagierte mit dem historischen Verweis auf Caesars Überquerung des Rubikon. Jener hatte damit römisches Recht gebrochen und erklärte seine Entschlossenheit mit den überlieferten Worten „Die Würfel sind gefallen“. İmamoğlu erklärt, dass es kein Zurück gibt. Bald erfolgten Neuwahlen und dann habe sich die Furcht erübrigt.
Er greift damit rhetorisch sehr hoch. Eine Herausforderung der Ordnung…
Die Veröffentlichung eines Sachverständigenberichts vor seiner Vorlage beim zuständigen Gericht dürfte vermutlich gegen Vorschriften der Strafprozessordnung verstoßen. Und die öffentliche Herausstellung eines Sachverständigen kann tatsächlich Druck auf ihn ausüben. Obgleich ein Druck auf einen Sachverständigen, der sein Gutachten bereits abgegeben hat, wenig plausibel ist. Doch was steht dahinter? Der Vorwurf, dass die Regierung Druck auf Sachverständige ausübt und dass von einer ergebnisoffenen Ermittlung im Fall des Hotelbrandes nicht gesprochen werden könne. Zudem hat sich in Istanbul ein Sachverständiger als Experte für Korruption in CHP-Bezirken hervorgetan. Er arbeitet sogar so differenziert, dass er Machtwechsel berücksichtigt. Könnte eine AKP-Verwaltung betroffen sein, wird jeder Verdacht aus der Welt geschafft. Und der Vorwurf lautet, dass dieser spezialisierte Sachverständige nun von Richtern regelmäßig in CHP-Verfahren eingesetzt.
Den Verlauf der Ermittlungen zur Brandkatastrophe kann die Öffentlichkeit nicht wirklich verfolgen. Dies ist auch gut so, denn der Grundsatz der Geheimhaltung der Ermittlungen schützt diese vor Manipulationsversuchen und verhindert die Vernichtung von Beweisen. Indirekt verfolgbar sind die Ermittlungen zurzeit nur über die Festnahmen und Anordnungen von Untersuchungshaft. Und da ergibt sich ein ernüchterndes Bild. Zunächst wurden der Eigentümer des Hotels, der Generaldirektor der Trägergesellschaft, der Hoteldirektor und das diensthabende Personal der Küche festgenommen, in der der Brand ausgebrochen sein soll. Bedenkt man, dass vermutlich das Versagen des Brandschutzes für die Zahl von 78 Todesopfern verantwortlich ist, wirkt die Haft des Küchenpersonals wenig angemessen. Inzwischen gibt es auch Festnahmen bei der Feuerwehr von Bolu und eines führenden Beamten der Stadtverwaltung. Auch ein privates Unternehmen, das Sicherheitsüberprüfungen für das Tourismusministerium vornimmt, scheint in den Fokus der Ermittlungen geraten zu sein. Doch liegt die letzte Verantwortung bei der Stelle, die Betriebserlaubnisse erteilt und für die Kontrollen verantwortlich ist. Dies ist das Ministerium, das bisher jede Verantwortung ablehnt und auch nicht zur Verantwortung gezogen wird.
Am 28. Januar wurde der Journalist Barış Pehlivan auf Anweisung der Staatsanwaltschaft Istanbul verhaftet. Hintergrund war, dass er nach der bereits genannten Pressekonferenz von Ekrem İmamoğlu den beschuldigten Sachverständigen angerufen hatte und ihn um eine Stellungnahme bat. Dieser wies die Vorwürfe zurück und Pehlivan veröffentlichte den Mitschnitt dieser Aussage bei Halk TV. Unmittelbar darauf begann die Staatsanwaltschaft eine Untersuchung wegen unerlaubter Aufzeichnung eines privaten Gesprächs sowie versuchter Beeinflussung eines Sachverständigen. Zu einer Vernehmung wurde Pehlivan nicht geladen. Stattdessen wurde er von der Polizei aus der Redaktion von Halk TV heraus verhaftet. Mit ihm verhaftet wurden außerdem die Moderatorin der Sendung sowie der für die Sendung verantwortliche Redakteur. Später wurden noch zwei leitende Journalisten von Halk TV zur Vernehmung geladen.
Justizminister Tunç nahm zur Kritik an diesem Vorgehen Stellung. Er erklärte, dass kein Journalist in der Türkei aufgrund seiner Tätigkeit strafrechtlich verfolgt würde. Die wiederholten Angriffe auf die Justiz seien jedoch nicht hinnehmbar.
Barış Pehlivan wiederum wies darauf hin, dass am selben Tag auch die regierungsnahe Tageszeitung Yeni Şafak eine Stellungnahme des Sachverständigen veröffentlich habe und gegen sie keine Ermittlungen geführt werden. Zudem sei es seine Pflicht als Journalist, alle Beteiligten an einer Nachricht zu hören. Dem Sachverständigen sei zudem bekannt gewesen, dass er mit einem Journalisten sprach.
Einen bekannten Journalisten aus der Redaktion heraus zu verhaften, ohne ihm zuvor die Möglichkeit gegeben zu haben, seine Aussage auch ohne Zwang zu machen, unterstützt nicht unbedingt die Argumentation des Justizministers. Wie auch in den Ermittlungen zur Brandkatastrophe in Bolu wird auch in diesem Fall strikt darauf geachtet, eigene Leute auszuklammern. Eine wirksamere Unterstützung für die Aussagen von Ekrem İmamoğlu bei seiner Pressekonferenz hätte der Justizminister kaum leisten können.
Vier der fünf beschuldigten Journalisten wurden freigelassen, darunter auch Barış Pehlivan. In Untersuchungshaft genommen wurde dagegen der Sendeverantwortliche, weil dieser beim Telefonat von Pehlivan mit dem Sachverständigen den Aufnahmeknopf gedrückt hatte.
Die steigende Zahl von Ermittlungsverfahren und Verhaftungen hat Bewegung in die CHP gebracht. Voraussichtlich innerhalb von zwei Monaten will die Partei bereit sein, sich Neuwahlen zu stellen. Dementsprechend soll auch die Frage des Präsidentschaftskandidaten entschieden werden. Dabei stehen sich als mögliche Anwärter der Bürgermeister von Ankara Mansur Yavaş und der Bürgermeister von Istanbul Ekrem İmamoğlu gegenüber. Der Vorsitzende Özgür Özel hat angekündigt, dass die Entscheidung durch Vorwahlen getroffen werden soll. Während Yavaş in den meisten Umfragen der letzten Zeit als der Kandidat mit der größten Unterstützung abschnitt, verfügt İmamoğlu über eine hohe Unterstützung innerhalb der Partei. Es verwunderte darum nicht, dass İmamoğlu eine Vorabstimmung unter Parteimitgliedern unterstützt, während sich Yavaş für eine breit angelegte Umfrage mit 50.000 Teilnehmenden aussprach.
Dass Yavaş und die CHP nicht gewillt sind, diesen Dissens wieder zu einem Bild der Spaltung führen zu lassen, zeigt, dass Mansur Yavaş zur Unterstützung İmamoğlus nach Istanbul kam, als dieser am 31. Januar seine staatsanwaltliche Aussage wegen Beleidigung des Oberstaatsanwalts Istanbuls und der bereits erwähnten Pressekonferenz machte.
Neben der Vorwahl zum Präsidentschaftskandidaten soll außerdem ein Wahlprogramm verabschiedet werden. Von beiden Schritten erhofft sich die CHP einen Impuls, mit dem sie die Öffentlichkeit mobilisieren will, vorzeitige Neuwahlen zu fordern.
Nach zwei Besuchen der DEM beim inhaftierten Vorsitzenden der PKK Abdullah Öcalan macht die AKP deutlich, dass sie den Prozess straffen möchte. Weitere Besuche soll es nicht geben, man erwartet den öffentlichen Aufruf Öcalans, dass sich die PKK selbst auflösen möge. Begleitet wurde dies in dieser Woche von der Absetzung einer weiteren DEM-Bürgermeisterin in Siirt. Sie war wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung verurteilt worden. Das Urteil ist zwar noch nicht rechtskräftig, gleichwohl wurde an ihrer Stelle der Provinzgouverneur als geschäftsführender Bürgermeister eingesetzt.
Die Zukunft der vom MHP-Vorsitzenden Devlet Bahçeli angestoßenen Initiative wird vermutlich von den Entwicklungen in Syrien abhängen. Dort hat sich in dieser Woche der frühere Führer der Miliz HTS als Staatspräsident einsetzen lassen. Die Ernennung erfolgte bei einer Konferenz der Führer zahlreicher Milizen, an der jedoch anscheinend weder die kurdischen noch die drusischen Milizen teilnahmen. Warum dieses militärische Forum für die Entscheidung benutzt wurde und nicht auf die für Februar geplante große nationale Konferenz gewartet wird, an der auch zivile Kräfte teilnehmen sollen, bleibt offen. Grundsätzlich haben die Milizen der Demokratischen Kräfte Syriens (SDF), die von Kurden dominiert und von den USA unterstützt werden, zentrale Forderungen der Übergangsregierung zugestimmt. Demnach soll die SDF entwaffnet und teilweise in die neu aufzubauende syrische Armee eingegliedert werden. Auch erklärte die SDF, dass sie sich in diesem Fall von allen nicht-syrischen Milizionären trennen werde. Doch während die Übergangsregierung darauf dringt, die SDF-Milizen nicht als Verbände sondern als individuelle Soldaten einzugliedern bleibt außerdem die Frage der seit mehr als zehn Jahren bestehenden Selbstverwaltungsstrukturen offen. Entscheidend für die weitere Entwicklung dürfte die Haltung von US-Präsident Trump sein. Dieser würde gern die US-Truppen aus Syrien zurückziehen, muss dabei jedoch auch die US-Interessen im Irak und auf der arabischen Halbinsel sowie Israels berücksichtigen. Einen besonderen Stolperstein stellen dabei zudem die Gefangenen dar, die während des Krieges gegen den „Islamischen Staates“ (IS) gemacht wurden. Diese befinden sich derzeit in Gefängnissen unter Kontrolle der SDF und es bleibt offen, ob die US-Regierung ausreichendes Vertrauen in die neuen Machthaber in Damaskus setzt, ihnen diese Gefängnisse zu überlasen. Die HTS und viele der mit ihr verbundenen Milizen unterhielten über Jahre enge Beziehungen zum IS.
Am 31. Januar wird in der Türkei ein Frachtschiff vom Stapel gelassen, das bei einer Frachtkapazität von 5.300 Tonnen seinen Hauptantrieb von Segeln bezieht. Die Besatzung besteht aus 13 Personen, zudem können 12 Passagiere mitgenommen werden. Eingesetzt werden soll es auf einer Transatlantik-Route. Der Kraftstoffverbrauch soll um 80-90 Prozent gegenüber herkömmlichen Schiffen verringert werden.
Es ist eine Ingenieurleistung mit einer kleinen Besatzung bei vertretbarer Geschwindigkeit eine Kraftstoffeinsparung um 80-90 Prozent zu erzielen. Damit wird nicht nur der CO2-Ausstoß verringert, sondern aufgrund der Kohlendioxid-Besteuerung auch ein Kostenvorteil errungen. Hinzu kommt die Verringerung der Treibstoffkosten. Nach Abschluss der erforderlichen Tests und Zulassungen soll das Schiff im Sommer dieses Jahres den Linienbetrieb aufnehmen. Erweist sich die Technologie als praxistauglich, wird es sich um eine Zukunftstechnologie handeln.